Frau und Mann sitzen am Telefon Computer im Büro beim Amt

Geht eine Maschine zum Amt...

Veröffentlicht am 08.04.2020

So lautet nicht etwa der Beginn eines Märchens. Sondern so sieht die digitale Zukunft in Behörden aus. Und die ist – aller Skepsis zum Trotz – schon weit vorangeschritten, behauptet Jörn von Lucke, Professor für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik in Friedrichshafen.

Das Auto lässt sich selbst zu

Nur wenige Forscher weltweit untersuchen, welche Chancen und Herausforderungen durch die Digitalisierung auf öffentliche Verwaltungen zukommen. Einer von ihnen ist Jörn von Lucke, Professor für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik in Friedrichshafen. Seit zwanzig Jahren verfolgt er den Wandel der digitalen Verwaltung.

Was die digitale Zukunft für Behörden bedeutet? Dank des Internets der Dinge sollen etwa nicht mehr die Besitzer ihre Neuwagen der Zulassungsbehörde melden, sondern die Autos sich selbst. Oder Maschinen übermitteln ihre Prüfwerte an die Aufsichtsbehörden, während Drohnen im Auftrag der Bauverwaltung selbstständig Neubauten abnehmen. Was wie Zukunftsmusik klingt, ist für von Lucke längst konkreter Gegenstand seiner Forschung.

Digitale Verwaltung in Deutschland seit 1956

Wie lange wird es dauern, bis nicht mehr der Mensch, sondern Maschinen die Amtsgeschäfte regeln? „Deutschland ist in Sachen Digitalisierung ziemlich weit“, sagt von Lucke, Leiter des „The Open Government Institute“ an der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Viele Bürger mögen in Deutschland bei Behörden noch an Formularständer, Aktenordner und Wartemarken denken. Doch von Lucke widerspricht diesem Eindruck: „Wir digitalisieren in der öffentlichen Verwaltung seit sechzig Jahren. Und in den vergangenen zwanzig Jahren flächendeckend.“ Begonnen habe die Digitalisierung der Verwaltung 1956 mit der Überführung der karteibasierten Register der Rentenversicherung (BfA) in einen Großrechner. Und fast zeitgleich startete die Digitalisierung der Meldedaten.

"Wir digitalisieren in der öffentlichen Verwaltung seit sechzig Jahren."

Jörn von Lucke, Professor für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik in Friedrichshafen

Die Verwaltung kämpft noch

Doch bei allen Fortschritten braucht Deutschland lange bei der Umsetzung. „In der öffentlichen Verwaltung kommt eine gute Idee aus der Wissenschaft oft erst Jahrzehnte später an, wenn ein Referent eine Promotion in der Bibliothek findet und auch liest“, sagt von Lucke. Auch deshalb liegt Deutschland im E-Government-Ranking der EU im Bereich „Digitale öffentliche Dienste“ auf Platz 20 von 28 Mitgliedsstaaten.

Dabei seien die Herausforderungen auf der ganzen Welt gleich: „Das Internet der Dinge bedeutet ja nicht, dass wir auf jede Akte einen RFID-Chip kleben, um zu wissen, wo im Aktenschrank die Akte jetzt liegt. Wir verlagern die Akten in elektronische Akten und Vorgangsbearbeitungssysteme und wollen einen digitalen Zugriff auf die Daten und Informationen sicherstellen“, sagt von Lucke.

Die Idee des Internets der Dinge ist es nun, dass smarte Gegenstände einfache Geschäfte untereinander regeln, ohne dass ein Mensch vermitteln muss. Im Smarthome schaltet ein Sensor das Licht an oder fährt die Rollläden herunter. Im Amt kann das bedeuten, dass eine Akte eine benötigte Unterlage selbst anfordert.

Zwischen Optimismus und Schreckensszenario

Es lässt sich absehen, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz wie beim Internet der Dinge enorme Auswirkungen auf den Behördenalltag haben wird. Auch wenn es bislang noch keine einheitliche Definition von KI gibt. Für manche beginnt sie bereits beim Einsatz von Algorithmen, um automatisch Muster zu erkennen oder zu analysieren. Für andere verlangt es die komplette Nachahmung menschlichen Verhaltens samt geistigen Fähigkeiten durch Maschinen. Ein weites Feld an Definitionen also, das genug Raum für Schreckensszenarien wie auch Optimismus gibt.

Noch sind die Grenzen deutlich: So intelligent vernetzt Fahrzeuge, Rollläden oder Drohnen auch sein mögen, selbst Anträge einreichen dürfen sie noch nicht. Dafür müssten auch sie über sichere digitale Identitäten verfügen. Zwar ändern sich Technologien ständig und auch für die digitale Verwaltung gibt es nicht eine einzige Lösung, die für immer gilt. Dennoch: Eine besonders interessante und aller Voraussicht nach auch nachhaltige Lösung könnte Blockchain sein.

Vereinfacht gesagt, gleicht Blockchain einem digitalen Register. Jeder Verwaltungsvorgang gleicht darin einem Block, der nach den einzelnen Bearbeitungsprozessen wie bei einer Kette digital an den nächsten geheftet wird. Allerdings finden diese Abläufe ohne Zentralrechner oder Beamte statt. Die Blockchain-Kette ist vielmehr auf zahllose Rechner verteilt, bildet eine Art verstreute Datenbank und ist durch kryptografische Verfahren besonders gut geschützt. Jede Veränderung, also jeder neue Verwaltungsvorgang, ist in den aufeinanderfolgenden Datenblöcken verzeichnet und wird dadurch transparent und fälschungssicher.

Das erste Glied der Blockchain könnte also per Chip bei der Endmontage in ein Auto eingesetzt werden und das Fahrzeug reicht seine Anmeldeinformation später an die Zulassungsstelle verschlüsselt weiter, zum Beispiel durch das lokale WLAN und ganz automatisch. Es braucht keine Zwischeninstanz zur Überprüfung oder Kontrolle der Anmeldung mehr, weil das nötige Zertifikat Block für Block in der Kette verankert wird.

Arbeitsamt-Berater mit Datenbrille und Alexa-Skill

Aber auch den Alltag der Behördenmitarbeiter selbst könnte das Internet der Dinge verändern. „Intelligent vernetzte Brillen, interaktive Screens und vernetzte Kleidungsstücke können in Ministerien und Behörden zum Einsatz kommen und die Mitarbeiter unterstützen“, sagt von Lucke und meint eine smarte Datenbrille, die dem Berater der Arbeitsagentur die Daten seines Gegenübers einspielt, oder ein Alexa-Skill, eine kleine App für den Sprachassistenten also, mit der Formulare eingesprochen statt ausgefüllt werden können.

Dennoch: Der Mensch soll trotz autonomer Gegenstände an verantwortlicher Stelle beteiligt bleiben. Jedoch eher als Entscheider denn als fleißiger Formularausfüller. Von Lucke sagt: „Zentrale Aufgaben der Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung lassen sich zwar automatisieren. Aber die menschlichen Entscheidungsträger sollen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden.“

Nachhaltiges und intelligent vernetztes Handeln

Von Lucke fordert ein nachhaltiges, intelligent vernetztes Regierungs- und Verwaltungshandeln im Zeitalter des Internets der Dinge. Denn die zunehmende Vernetzung berge auch Gefahren. Wo immer etwas gemessen wird, kann auch überwacht werden. „Wir müssen über Grenzen und Regulierungsbedarf sprechen. Und aufpassen, dass wir weder in einem Überwachungsstaat noch in einem überwachten Staat wach werden.“

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