Eine Frau arbeitet im Büro am Computer

Sicherheit, Nutzerfreundlichkeit, Datensparsamkeit: Heike Troue, Vorständin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, zur EUDI-Wallet

Veröffentlicht am 28.11.2024

Heike Troue ist Vorständin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Im Interview spricht sie über die Chancen und die Herausforderung, die sich mit der EUDI-Wallet auftun. Die digitale Brieftasche ist eines der zentralen digitalpolitischen Projekte der EU. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen ihren Bürgern und Bürgerinnen ab 2027 eine entsprechend zertifizierte EUDI-Wallet zur Verfügung stellen, damit sie sich damit grenzübergreifend digital ausweisen und digital unterschreiben können.

Experteninterview mit
Vorständin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz Heike Troue
Heike Troue
Vorständin Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz

Warum sind sichere digitale Identitäten so wichtig?

In unserer Beratungspraxis sehen wir tagtäglich Problemfälle in unterschiedlichen Bereichen, die durch ein sicheres digitales Identitätsmanagement vermieden werden könnten. Sichere digitale Identitäten sind der Schlüssel zu vielen Online-Dienstleistungen, sei es im Gesundheitswesen, bei Bankgeschäften oder beim Einkaufen im Internet. Für Verbraucher und Verbraucherinnen sind sichere digitale Identitäten entscheidend, um sich vor Betrug und Identitätsdiebstahl zu schützen. So registrieren wir in der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz immer wieder Fälle, bei denen Kriminelle Zugang zu Online-Konten erlangen und diese missbräuchlich verwenden, was oft zu erheblichen finanziellen Schäden führt.

Wie nützen digitale Identitäten den Verbrauchern und Verbraucherinnen in Sachen Sicherheit konkret?

Mit einer sicheren digitalen Identität, also Accounts mit hohen technischen Sicherheitshürden wie einer Authentifizierung per elektronischem Personalausweis (eID) oder mittels der EUDI-Wallet, würde es Kriminellen deutlich erschwert, Phishing und andere Cybercrime-Aktivitäten zu begehen. Verbraucher und Verbraucherinnen wüssten damit nämlich sicher, mit wem sie interagieren. Das erschwert dubiose Geschäftsmodelle. Zudem könnten solche Identitäten dabei helfen, Bot- und Troll-Aktivitäten im Internet einzudämmen, da hinter jeder Interaktion eine eindeutige Authentifizierung steht. Das schützt die Nutzenden vor Manipulationen und Belästigungen und fördert ein sichereres Online-Umfeld.

Aber das ist noch nicht alles?

Nein, sichere digitale Identitäten reduzieren auch die Zahl von Fake-Profilen, indem sie ermöglichen, dass jede Person nur eine einzige Identität für bestimmte Plattformen nutzen kann. Gleichzeitig bietet die eID ein Pseudonym, sodass  kein Klarname erforderlich ist. Online-Trollen würde so erschwert, nach einer Sperrung wieder Zugang zur Plattform zu erhalten oder sich unerkannt neu zu registrieren. Das Ausmaß an Hass und Hetze auf verschiedenen Plattformen würde sich zum Vorteil aller Nutzer und Nutzerinnen deutlich reduzieren.

"Wenn digitale Identitäten von staatlichen Stellen verwaltet werden, kann sichergestellt werden, dass die Daten nur für den eigentlichen Zweck genutzt werden." 

Heike Troue, Vorständin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz

Warum fordern Sie, dass die Verwaltung sicherer digitaler Identitäten in staatlicher Hand bleiben sollte und nicht von privaten Unternehmen betrieben wird?

In einer Zeit, in der digitale Technologien unser tägliches Leben immer stärker prägen, sind Daten zu einer der kostbarsten Ressourcen geworden. Persönliche Daten werden heute von Unternehmen und Organisationen als wertvolles Gut betrachtet und gezielt genutzt, um sie kommerziell zu nutzen. Deshalb sollte der Staat die Verwaltung sicherer digitaler Identitäten übernehmen. Denn er handelt im öffentlichen Interesse und nicht, um Gewinne zu erzielen. Zudem agiert er unter strengen datenschutzrechtlichen Kontrollen. Anders gesagt: Wenn digitale Identitäten von staatlichen Stellen verwaltet werden, kann sichergestellt werden, dass die Daten nur für den eigentlichen Zweck genutzt werden.

Welche Vorteile bieten die EUDI-Wallet und die eID im Vergleich zu privatwirtschaftlichen Lösungen wie Single-Sign-On-Diensten?

Die größten Vorteile der EUDI-Wallet und der eID liegen aus Sicht der Verbraucherzentrale in der Datensparsamkeit und der Sicherheit. Verbraucher und Verbraucherinnen können bei jeder Interaktion entscheiden, welche Daten sie preisgeben möchten – während der Rest geschützt bleibt. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu privaten Single-Sign-On-Diensten, wo oft unklar ist, welche Daten genau gesammelt, wie sie gesichert und wofür sie verwendet werden.

Darüber hinaus bietet die eID eine Zwei-Faktor-Authentifizierung, die deutlich sicherer ist als viele privatwirtschaftliche Lösungen. Mit der EUDI-Wallet werden weitere Ausweise digitalisiert und der Einsatz noch weiter vereinfacht. Diese Technologien könnten das Identitätsmanagement sicherer und nutzerfreundlicher machen, indem sie gleichzeitig die Anzahl der Benutzernamen und Passwörter reduzieren und die Kontrolle über persönliche Daten verbessern. 

Wie sieht es aus, wenn eine digitale Identität gesperrt werden muss? 

Die eID und die EUDI-Wallet werden von staatlichen Institutionen verwaltet, die – wie bereits gesagt – strengen Datenschutzbestimmungen unterliegen und keine kommerziellen Interessen verfolgen. Das bedeutet auch, dass im Falle eines Missbrauchs, etwa bei einem Identitätsdiebstahl, klare, transparente und standardisierte Prozesse existieren, um die Identität schnell zu sperren und eine neue zu beantragen. So kann man sich bei staatlichen Lösungen wie der eID an die Behörden und die Polizei wenden, die den Prozess der Sperrung und Entsperrung koordinieren. Im Gegensatz dazu müssen Nutzer und Nutzerinnen bei privaten Single-Sign-On-Produkten oft über Call Center oder Support-Strukturen gehen, die nicht immer sofort reagieren. 

"Eine sichere digitale Identität könnte so dabei helfen, die Verbrauchenden und die Anbieter vor den negativen Auswirkungen von KI-gestütztem Betrug zu schützen."

Heike Troue, Vorständin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz

Speziell mahnten Sie bei Ihrem Jahrespressegespräch 2024 an, dass der elektronische Personalausweis und die EUDI-Wallet gut miteinander verzahnt werden müssen. Was meinen Sie damit?

Beim Stichwort gute Verzahnung ist uns wichtig, dass künftig alle Werkzeuge und Schnittstellen, die für die sichere digitale Identität von Belang sind, aufeinander abgestimmt sind. Konkret meint das, dass wenn die Wallet kommt, mein vorhandener elektronischer Personalausweis und dessen Anwendungsfunktionen gut und reibungslos mit ihr verknüpft werden. Gleiches gilt auch für kommende Schnittstellen wie die BundID oder Tools aus anderen Bereichen. Man sieht hier aber auch schon, dass die Thematik das Potenzial hat, sehr komplex zu werden. Je mehr Schnittstellen involviert sind, desto eher wird es zu Medienbrüchen kommen: Die Systeme verstehen einander nicht mehr und der reibungslose Datenaustausch bricht ab. Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit müssen daher im weiteren Prozess gleichermaßen Priorität haben.

Inwiefern könnten sichere digitale Identitäten und Technologien wie die EUDI-Wallet in Zukunft eine Rolle im Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) spielen?

Mit dem Fortschreiten der KI wird es für Menschen immer schwerer zu erkennen, ob eine Interaktion im Netz vertrauenswürdig ist. Deshalb ist es wichtig, dass nicht nur Verbrauchende sicher ihre Identität nachweisen können, sondern auch nur sichere Anbieter eine solche digitale Identität anfordern dürfen, sich also beide Seiten ausweisen müssen. Eine sichere digitale Identität könnte so dabei helfen, die Verbrauchenden und die Anbieter vor den negativen Auswirkungen von KI-gestütztem Betrug zu schützen.

Was ist aus Ihrer Sicht notwendig, dass die Verbraucher und Verbraucherinnen Vertrauen in die Wallet bekommen?

Damit Verbraucher und Verbraucherinnen der EUDI-Wallet vertrauen, ist zweierlei entscheidend: Erstens entsteht Vertrauen ja bekanntermaßen durch Ehrlichkeit und Transparenz. Bezogen auf unsere digitale Brieftasche heißt das: Menschen wollen das Gefühl haben, dass sie die volle Kontrolle über ihre sensiblen Daten haben und Zugriffe Dritter auf diese Daten keinesfalls hinter ihrem Rücken erfolgen können.

Zweitens braucht Vertrauen die Erfahrung, dass etwas funktioniert. Die EUDI-Wallet sollte deshalb clever und bedienungsfreundlich gestaltet sein. Etwa, indem sie sich gut in den Alltag der Verbraucher und Verbraucherinnen einfügt und eine echte Entlastung gegenüber den bekannten analogen Wegen bietet. Dabei ist es wichtig, dass sie auch von Zielgruppen genutzt wird, die nicht übermäßig technikaffin sind, etwa von älteren Nutzenden. Ich bin aber guter Dinge, dass man alle Anforderungen an die digitale Brieftasche zusammenbringen kann. Und zwar, wenn der Staat nicht nur eine sichere und nutzerfreundliche EUDI-Wallet anbietet, sondern auch die Einführung und den Einsatz durch eine breite Informationskampagne begleitet. 

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Troue.

Zur Person

Die Diplom-Volkswirtin Heike Troue (Jahrgang 1970) leitet die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz seit 2023.

Zuvor war Frau Troue für folgende Verbände auf Bundes- und Landesebene in Berlin und Wiesbaden tätig: 

  • Geschäftsführerin des Fachverbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Hessen-Thüringen e. V. (2014 bis 2022)
  • Geschäftsführerin des Vereins „Deutschland sicher im Netz e. V.“ (DsiN) (2007 bis 2013)
  • Hauptgeschäftsführerin des Deutschen LandFrauenverbands e. V. (2000 bis 2007)
  • Mitglied im Vorstand der Deutschen Welthungerhilfe e. V. (2000 bis 2008)
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