Technologien für die Ära der Quantencomputer
Aktualisiert am 02.09.2024
Vor wenigen Jahren galten sie als Wundermaschinen – inzwischen rückt ihr Einsatz näher: Quantencomputer versprechen exponentielle Leistungssteigerungen gegenüber klassischen Rechnern. Die Bundesdruckerei-Gruppe erforscht die Potenziale der neuen Computergeneration und entwickelt Verfahren, die bestehende Systeme vor ihrer Rechenmacht schützen.
Rechnen zwischen null und eins
Noch spielt sich die Diskussion in Fachkreisen ab, doch bald dürften Quantenrechner praktische Relevanz besitzen. Die Computergeneration der Zukunft macht sich die Gesetzmäßigkeiten der Quantenmechanik zunutze und lässt die binären Systeme hinter sich. Während beim klassischen Rechner jedes Bit entweder den Wert null oder eins annimmt, kennen Quantenrechner mit dem Prinzip der Überlagerung (Superposition) eine ganze Reihe weiterer Zustände. Das Verhalten von Teilchen, das den Quantentechnologien zugrunde liegt, mag zwar die Grenzen des intuitiv Vorstellbaren sprengen – hat aber Implikationen von großer Tragweite. Denn die Funktionsweise der Quantencomputer ermöglicht zahlreiche simultane Rechenprozesse und damit die Bewältigung bisher unlösbarer Aufgaben in kürzester Zeit.
Quantenvorteile und Sicherheitsrisiken
In der Leistungsfähigkeit der Quantenrechner liegen große Chancen, verschiedenartigste komplexe Probleme zu lösen – von der Personaleinsatzplanung über die Optimierung von Energienetzen bis hin zur Materialsimulation. Zugleich birgt der Quantencomputer Risiken für bestehende Sicherheitsverfahren: Mit der quantenbasierten Rechenpower sind etablierte Verschlüsselungen gefährdet, die bislang praktisch nicht zu brechen waren. Wo selbst ein – klassisch arbeitender – Supercomputer für simples „Durchprobieren“ von Verschlüsselungen Hunderttausende Jahre bräuchte, könnte ein Quantenrechner sie in kürzester Zeit knacken. Darauf gilt es klassische Sicherheitssysteme vorzubereiten.
Förderprojekte
Die Unternehmen der Bundesdruckerei-Gruppe arbeiten mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammen an unterschiedlichsten innovativen Projekten für die Entwicklung einer sicheren neuen Computergeneration. Wir stellen Ihnen ausgewählte Förderprojekte vor, an denen wir beteiligt sind:
Plattform und Ökosystem für quantenunterstützte Künstliche Intelligenz
Bislang sind Quantencomputer selten. Da ihre Nutzung sich grundsätzlich von klassischen Rechnern unterscheidet und hoher Spezialisierung bedarf, bleibt ihre Anwendung zurzeit wenigen Experten und Expertinnen vorbehalten. Die im PlanQK-Forschungsprojekt entwickelte Plattform führt Expertise zusammen und erleichtert Nutzern und Nutzerinnen den Zugang zu quantengestützten KI-Anwendungen.
Die Plattform bietet somit den Adressierten fachliche Unterstützung und stellt ihnen spezifische Algorithmen und Applikationen bereit. Darüber hinaus erhalten Nutzer und Nutzerinnen den Zugriff auf Quantenrechnerkapazitäten. Damit sollen auch mittelständische Unternehmen, die keine eigenen Kompetenzen für Quantencomputer und Künstliche Intelligenz aufbauen können, von den neuen Technologien profitieren. Das Forschungsprojekt PlanQK zeigt erfolgreich, wie die Quantenwertschöpfungskette von morgen aussehen wird.
Sicherheitsbaustein für Quantenrechner
Für den Use Case der Bundesdruckerei, „Sicherheitsbausteine für digitale Ökosysteme“, wurden verschiedene Aspekte eines komplexen Sicherheitssystems in Bezug auf die Entwicklung von Quantentechnologien und -rechnern analysiert. Dazu zählen Evaluierung des Bedrohungspotenzials von Quantenrechnern für die kryptographischen Anwendungen, Entwicklung neuer Sicherheitsmechanismen, Erkennung der Angriffe sowie Optimierung von Datensystemen.
Zum Beispiel erforschte die Bundesdruckerei, wie Daten sich durch eine optimale Strukturierung und Aufbereitung möglichst gut auf die Funktionsweise von KI und Quantenrechnern zuschneiden lassen.
Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Projekt war angesiedelt im Innovationswettbewerb „Künstliche Intelligenz als Treiber für volkswirtschaftlich relevante Ökosysteme“.
Laufzeit: 1.1.2020–31.12.2023
Unter Koordination der Anaqor AG arbeitete die Bundesdruckerei GmbH mit folgenden Partnern zusammen:
- Accenture Dienstleistungen GmbH
- d-fine GmbH
- DB Systel GmbH
- DB Systemtechnik GmbH
- FCE Frankfurt Consulting Engineers GmbH
- Fraunhofer FOKUS Data Analytics Center
- Freie Universität Berlin – Dahlem Center for Complex Quantum Systems
- HQS Quantum Simulations GmbH
- Komm.ONE AöR
- Ludwig-Maximilians-Universität München – Quantum Applications and Research Laboratory
- Planerio GmbH
- regio iT gesellschaft für informationstechnologie GmbH
- Smart Reporting GmbH
- Telekom Innovation Laboratories (T-Labs)
- TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH & Co. KG
- Universität Stuttgart – Institut für Architektur von Anwendungssystemen (wissenschaftliche Leitung)
- Universität Stuttgart – Institut für Funktionelle Materie und Quantentechnologien
- VIRALITY GmbH
Während des vierjährigen Forschungszeitraums wurden über 30 Anwendungsfälle für das Quantencomputing aus unterschiedlichsten Wirtschaftsbereichen erforscht. Dazu zählen unter anderem:
- Anomalie-Erkennung in der Netzwerkkommunikation
- Erkennung von Anomalien und Betrug in Finanztransaktionen
- Kommunale Register KI
- Modellierung von Energiesystemen – Versorgungsqualitätsoptimierung, Scheduling und Dienstplanoptimierung
- Routenoptimierung
- Vorhersage von Material- und Prozesseigenschaften
Postquantum-Kryptographie für hoheitliche Dokumente
Die sogenannte Postquantum-Kryptografie besitzt für nahezu alle Lebensbereiche Relevanz – vom Personalausweis über die E-Mail-Kommunikation bis hin zum Online-Banking, den Zutrittssystemen oder der Telemedizin. Schließlich wird ein Großteil der klassischen Computersysteme auch in Betrieb bleiben, wenn die ersten Quantenrechner im Alltag angekommen sind und zu potenziell mächtigen Angriffen genutzt werden könnten.
Vom Kryptobaustein bis zum Gesamtsystem
Kryptografische Verfahren haben eine lange Vorlaufzeit. Daher beschäftigen sich die Forscherinnen und Forscher der Bundesdruckerei GmbH seit mehreren Jahren mit quantenresistenten Verschlüsselungsverfahren. Im 2015 gestarteten Projekt PQCRYPTO wurden gemeinsam mit renommierten europäischen Universitäten und Industriepartnern mehrere Verschlüsselungsbausteine entwickelt, die ihre Robustheit gegenüber quantengestützten Attacken belegen konnten.
Quantencomputerresistente Kryptografie für ID-Systeme
Im PoQuID-Projekt bauten die Innovatoren und Innovatorinnen der Bundesdruckerei GmbH auf den Grundlagenarbeiten von PQCrypto auf. Es wurden Sicherheitsverfahren erprobt, die mit etablierten Strukturen kompatibel sind, und quantenresistente Verschlüsselungen implementiert. Die Bundesdruckerei hat dabei den weltweit ersten Demonstrator für einen elektronischen Pass entwickelt, der auch die hohen Sicherheitsanforderungen für die Ära des Quantencomputings erfüllt. Er zeigt eine Lösung für den kontaktlosen Datenaustausch zwischen ePass und Grenzkontrollterminal und hilft so, die auf dem ePass gespeicherten biometrischen Daten zu schützen. Im Kern des Demonstrators arbeitet ein Sicherheitscontroller von Infineon, der die Daten sowohl gegen konventionelle Angriffe als auch gegen Attacken mittels Quantencomputern schützt. Der Demonstrator beruht auf einer quantencomputerresistenten Version des Extended Access Control Protocol (EAC) und sichert damit biometrische Daten bei der Authentifizierung.
Der Projektauftrag umfasste zudem die Mitwirkung in relevanten Standardisierungsgremien wie DIN, ISO oder ICAO.
Das PoQuID-Projekt wurde durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Programms „WIPANO – Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Normen“ gefördert.
Laufzeit: 1.1.2020–30.06.2022
- Analyse, Auswahl und Entwicklung praktisch nutzbarer Post-Quantum-Kryptoverfahren
- Implementierung auf Smartcards
- Anwendung im hoheitlichen Kontext (maschinenlesbare Reisedokumente, eID)
- Einbringen der Ergebnisse in nationale und internationale Standardisierung
- Signifikante Performanzverbesserung z. B. für Chipkarten, IoT, mobile Geräte
- Bundesdruckerei GmbH
- Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC
- Infineon Technologies AG
Quantenresistente Public Key Infrastructures
Ob E-Mail-Kommunikation, digitale Signaturen oder Kryptowährungen – das moderne Leben dreht sich um digitale Daten. Private Informationen werden im digitalen Raum seit vielen Jahrzehnten durch den Einsatz von asymmetrischen kryptographischen Verfahren geschützt. So beeindruckend die Leistungsfähigkeit der neuen Quantencomputer auch ist, stellt sie gleichzeitig eine neue Form der Bedrohung für Verschlüsselungs- und Signaturverfahren bestehender Systeme und die dahinterstehende IT-Infrastruktur dar.
Im Projekt „Full-Lifecycle-Post-Quantum-PKI“ (FLOQI) entwickelte die D-Trust GmbH zusammen mit Partnern eine neue Art der Public Key Infrastruktur (PKI), die resistent gegenüber Angriffen von Quantencomputern ist. Hierfür stellte die D-Trust einen PKI-Mock-up zur Verfügung, mit dem die in dem Projekt und in Schwesterprojekten des gleichen Rahmenprogramms entwickelten PKIs betrieben und Zertifikate für Partner bereitgestellt werden konnten.
Die entworfenen Lösungen wurden dabei auf unterschiedlichen Plattformen aus den Bereichen Automobilbranche, Industrie 4.0 und Finanzwesen umgesetzt und erprobt. Um den Übergang von derzeitigen zu Post-Quanten-Kryptoverfahren so unterbrechungsfrei wie möglich zu gestalten, wird im Projekt der parallele Einsatz und agile Wechsel von aktuellen und neu entwickelten quantencomputerresistenten Verfahren innerhalb einer PKI erforscht und getestet.
Im Austausch mit Schwesterprojekten desselben Rahmenprogramms konnten so Konzepte für kombinierte neuartige Schlüssel (ICA) weiterentwickelt werden und zusammen mit Konzepten wie „Mixed PKI“ in den Demonstratoren getestet werden. Die wichtigste Erkenntnis der verschiedenen Arbeiten ist, dass zukünftige PKI-Architekturen zwingend Agilität für alle Ebenen beachten müssen.
Die erarbeiteten Konzepte fließen in die Standardisierungsarbeiten, z. B. bei DIN, ISO oder IETF, für künftige Standards bereits jetzt ein.
Das Projekt wird im Rahmen des Forschungsprogramms der Bundesregierung zur IT-Sicherheit „Selbstbestimmt und sicher in der digitalen Welt 2015 bis 2020" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Laufzeit: 01.12.2019 – 30.11.2023
D-Trust übernimmt in diesem Projekt folgenden Forschungsschwerpunkte und Arbeitspakete:
- Spezifikation von Intelligent Composed Algorithms (ICA) als Grundlage agiler PKIen sowie hybrider Zertifikatsstrukturen/PKIen
- Untersuchung der möglichen Algorithmenkombinationen in PKIen
- Betriebs- und Migrationskonzepte von agilen quantenresistenten PKIen
- Aufbau und Bereitstellung aller PKIen für die Demonstratoren
Unter Koordination der Deutsche Telekom Security GmbH arbeitet D-Trust bei diesem Projekt mit folgenden Partnern zusammen:
- TU Berlin, Lehrstuhl SecT
- Fraunhofer-Institut AISEC
- ETAS GmbH
- Robert Bosch GmbH
- BMW Group
- NXP Semiconductors Germany GmbH
Quantenpotenziale erschließen
Für Quantencomputing kommen viele Anwendungsbereiche infrage. Es gibt keinen Bereich, der nicht von Quantentechnologien oder -computing profitieren könnte – so auch die öffentliche Verwaltung. Viele Probleme, die sich mit heutigen Rechensystemen nicht oder nur eingeschränkt lösen lassen, können unter Ausnutzung der Quanteneffekte gelöst werden. Der erfolgreiche Einsatz von Quantentechnologien, vor allem in gesellschaftlich relevanten Anwendungsfällen, benötigt dabei eine klare Vision und eine proaktive Auseinandersetzung mit Ergebnissen der Grundlagenforschung.
Quantentechnologien für die Bundesverwaltung
In dem 2021 gestarteten Projekt Qu-Gov – Quantentechnologien für die Bundesverwaltung – werden Quantentechnologien in Hinblick auf Anwendungsfälle im hoheitlich-behördlichen Umfeld erforscht und getestet. Das Projekt weist einen großen Forschungs- und Entwicklungscharakter auf. Es werden Proofs of Concept bzw. Proofs of Value für Anwendungsfälle aus dem hoheitlich-behördlichen Umfeld erarbeitet und plattformoffen evaluiert. Bis Ende 2024 werden so Quantentechnologien für die Bundesverwaltung evaluiert, erforscht und erste Anwendungsfälle getestet.
Die Bundesdruckerei GmbH übernimmt die Gesamtkoordination und Leitung der für den Ausbau der Quantentechnologien im Bundesumfeld erforderlichen Forschungsprojekte. Das Projekt setzt auf ein breites Netzwerk von Partnern aus Wissenschaft, Industrie, Start-ups und Verwaltung auf.
Das Projekt Qu-Gov – Quantentechnologien für die Bundesverwaltung – ist eine direkte Beauftragung des Bundesfinanzministeriums.
Laufzeit: 1.12.2021–31.12.2024
In dem Projekt Qu-Gov werden Quantentechnologien für die Bundesverwaltung evaluiert, erforscht und erste Anwendungsfälle getestet. Themenschwerpunkte hierbei sind:
- Quanteninformation und Quantensicherheit,
- Quantenanalytik und
- quantenbezogene (Daten-)Souveränität.
Unter Koordination der Bundesdruckerei GmbH arbeiten wir mit folgenden Partnern zusammen:
- Universität Ulm
- DLR Ulm
- Fraunhofer-Institut AISEC (Berlin, Singapur)
- Quantum Lab (T-Labs)
- Q.ANT GmbH
- Universität Mainz, Fa. neQxt GmbH
- Jos QUANTUM GmbH
- Multiverse Computing
- Quantinuum
- Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH
- DB-Systel GmbH (Bundesquantenallianz)
- MS Azure Quantum
- DESY Zeuthen
- Quantum Optics Jena GmbH
Befähigung der Bundesverwaltung zum souveränen Einsatz von Quantentechnologie
Motiviert durch den Entwicklungsfortschritt und einen wachsenden politischen Fokus auf Quantentechnologien, wie den EU-Quantum-Pakt von 2023 und das Handlungskonzept Quantentechnologien der deutschen Bundesregierung, haben es sich die Beteiligten der Bundesquantenallianz zur Aufgabe gemacht, die Bundesverwaltung auf das Quantenzeitalter vorzubereiten.
Hierbei steht der Aufbau und Austausch von Erfahrungen bundeseigener Unternehmen zu Quantentechnologien im Vordergrund. Sie bilden dabei eine Wissensplattform, auf der sich Quantenexperten und -expertinnen austauschen und gemeinsam notwendiges Know-how für das Quantenzeitalter aufbauen können. Es fließen auch Erfahrungen aus themenverwandten Projekten und Netzwerken mit ein, z. B. das Förderprojekt PlanQK oder das Projekt Qu-Gov. Die Partner führen gemeinsam Forschungsprojekte durch und testen Quantentechnologien auf ihre Industrietauglichkeit hin, um frühzeitig notwendige Erfahrung im Umgang mit Quantenlösungen zu sammeln, z. B. ein Testbed zur Erprobung verschiedener quantensicherer Algorithmen.
Die Bundesquantenallianz bildet somit einen weiteren wichtigen Baustein für das Quanten-ökosystem in Deutschland.
Start: 4.2.2022
In der Bundesquantenallianz arbeitet die Bundesdruckerei GmbH gemeinsam mit weiteren bundeseigenen Unternehmen zusammen:
- DB Systel GmbH (Lead-Partner)
- Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund
- Bundesagentur für Arbeit (BA)