Quantencomputing: neue Regeln für die Superrechner
Veröffentlicht am 15.03.2022
Nie dagewesene Berechnungsmöglichkeiten, aber auch neue Sicherheitsrisiken: Quantencomputer werden die digitale Zukunft prägen. Um die neue Computergeneration zu verstehen und sinnvoll nutzen zu können, forscht die Bundesdruckerei GmbH schon jetzt intensiv zu den Potenzialen und Gefahren. Dr. Andreas Wilke, Senior Innovation Developer bei der Bundesdruckerei GmbH und Experte für Quantencomputing, gibt Einblicke in das, was uns in der Ära der Quantencomputer erwarten könnte.
Die Zukunft rückt näher
Noch bis vor Kurzem galten sie als Wundermaschinen aus der fernen Zukunft. Doch ihr Einsatz wird immer realistischer. Die großen amerikanischen Technologiekonzerne liefern sich bereits jetzt ein Wettrennen um den ersten funktionierenden vollwertigen Quantenrechner. Die Bundesdruckerei GmbH erforscht in unterschiedlichen Projekten den möglichen Einsatz von Quantentechnologie – und will herausfinden, welche neuen Sicherheitsmechanismen für die Supercomputer nötig werden könnten. Im Interview erklärt Wilke, wie Quantencomputer unser Leben verändern könnten – und wie die Bundesdruckerei die Zukunft schon heute mitgestaltet.
Herr Wilke, was unterscheidet Quantencomputer so signifikant von ihren klassischen Vorgängern?
Im Zentrum steht ein Quanteneffekt – die sogenannte Superposition in Kombination mit cleverer paralleler Informationsverarbeitung auf den Qubits des Quantencomputers. Superposition bedeutet grob gesagt, dass paralleles Rechnen ermöglicht wird. Genau das unterscheidet Quantencomputer von normalen Rechnern, die Informationen sequenziell verarbeiten – also immer eine nach der anderen, als würde man nacheinander Perlen auf eine Kette ziehen. Beim Quantenrechner hingegen kann mit allen Werten parallel gerechnet werden, was eine exponentielle Leistungssteigerung bedeuten würde.
Wann könnten Quantencomputer Realität werden?
IBM hat eine Roadmap veröffentlicht, laut der Quantencomputer in ungefähr acht Jahren Realität sein könnten. Hier in Deutschland geht das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) davon aus, dass ab 2030 ein kryptografisch relevanter Quantencomputer entwickelt sein wird, der den Shor-Algorithmus realisieren kann. Zuverlässiger kann man das aktuell nicht abschätzen, weil es bis dahin noch vieler technischer Innovationen bedarf. Das Problem ist aber weniger physikalischer Natur – wir müssen für die Quantencomputer Physik nicht neu erfinden. Die Herausforderung liegt eher bei der Realisierung der sehr komplexen Systeme. Erst mit ihnen kann der Mensch die Technologie für seine Zwecke verwenden – im Positiven wie im Negativen.
Was werden Quantencomputer konkret verändern?
Zum Beispiel lassen sich mit Quantensystemen gewisse mathematische Probleme lösen. Etwa in der Logistikbranche: Ein Lieferwagen soll Waren in insgesamt zehn Städten ausliefern und nun gilt es, die effizienteste Route zu berechnen. Solche Arten von Problemen können Quantencomputer sehr viel besser lösen als klassische Rechner. Darüber hinaus forschen wir an der Energieeffizienz von Berechnungsprozessen. Auch da erwarten wir bei bestimmten Informationsverarbeitungen signifikante Vorteile der Quantenrechner gegenüber klassischen Rechnern. Die Datenanalyse und -evaluation ist allerdings nur einer von zwei großen Anwendungsfällen, die uns im Bereich der Quantencomputer beschäftigen. Der zweite dreht sich um die Nachteile, die Quantencomputer mit sich bringen.
Alles läuft effizienter, genauer und sogar energiesparend. Wie kann so ein System Nachteile haben?
Vor über 25 Jahren hat Peter Shor, ein genialer Mathematiker, ein Verfahren entwickelt, das eigentlich noch heute alle gängigen asymmetrischen Kryptografie-Verfahren im Internet zerstören könnte – durch den Einsatz eines Quantencomputers. Verkürzt gesagt: Das Einzige, was unsere Kommunikation im Internet aktuell schützt, ist der fehlende Quantenrechner. Aber schon die IBM-Roadmap legt nahe, dass wir auf diesen nicht mehr allzu lange warten müssen.
Das heißt, Sie gehen der Frage nach, wie sich Kommunikation weiterhin so verschlüsseln lässt, dass sie auch vor Quantencomputern sicher wäre …
Genau damit beschäftigen wir uns im Bereich der sogenannten Postquantum-Kryptografie. Denn klar ist, dass auch im Zeitalter der Supercomputer viele unserer klassischen Systeme bestehen bleiben werden. Wir müssen also quantenresistente Verschlüsselungsverfahren finden – vor allem für sensible persönliche Daten. Deshalb beteiligen wir uns etwa an dem Projekt PoQuID, in dem wir mit anderen renommierten Partnern an vielversprechenden Verschlüsselungsbausteinen für ID-Systeme forschen und erproben, inwiefern diese mit klassischen Strukturen kompatibel sind.
Mit weiteren Partnern aus Wissenschaft, Industrie und Beratung arbeitet die Bundesdruckerei GmbH außerdem an dem Förderprojekt PlanQK. Was verbirgt sich dahinter?
Bei PlanQK wollen wir erforschen, wie Quantencomputer für KI-Anwendungen verwendet werden können. Das beginnt mit der Frage, in welcher Form Daten in den Quantencomputer fließen müssen, damit KI und Machine-Learning-Methoden auf diesem Rechner auch die Berechnungsvorteile der Maschine nutzen können. Am Ende wollen wir Algorithmen implementieren, die wir im PlanQK-Rahmen auch mit sämtlichen Forschungspartnern besprechen, um maximalen Lernerfolg zu garantieren. Das Projekt schafft nicht nur ein starkes Netzwerk, sondern liefert auch großes Know-how. Beides kann für die Bundesdruckerei zukünftig sehr wichtig werden. Insbesondere wenn es in der Zukunft darum geht, Quantenanalytik und Quanten-KI in unsere Sicherheitslösungen zu integrieren.