Eine Frau bezahlt im Geschäft mit Bargeld.

Harte Währung in digitalen Zeiten

Veröffentlicht am 14.04.2023

Welche Zukunft hat Bargeld eigentlich angesichts des Siegeszugs von Bezahl-Apps und Kryptowährungen? Hat die gute alte Banknote bald ausgedient? Oder gilt auch im digitalen Zeitalter „Nur Bares ist Wahres“? Ein Interview mit Dr. Dieter Sauter, Leiter des Bereichs Wertdruck bei der Bundesdruckerei GmbH.

Experteninterview
Dr. Dieter Sauter, Leitung Wertdruck, Bundesdruckerei GmbH
Dr. Dieter Sauter
Leiter Wertdruck bei der Bundesdruckerei GmbH

Die Deutschen lieben Bargeld. Die Barzahlungsquote liegt bei 48 % – weit über dem europäischen Durchschnitt. Dennoch zahlen auch wir immer öfter bargeldlos mit Apps wie PayPal oder Apple Pay. Die Europäische Zentralbank gibt außerdem seit 2019 keine 500-Euro-Scheine mehr aus. Schweden plant eine Digitalwährung. Ist das der schleichende Ausstieg aus dem Bargeld?

Für Bargeld sprechen mehrere Gründe. Erstens die sogenannte „Financial Inclusion“: Hunderte Millionen Menschen weltweit haben kein Bankkonto und können Zahlungsmittel wie PayPal oder Kreditkarte nicht verwenden. Zweitens: Strom, Netzwerke, w stehen nicht immer überall zur Verfügung. Bargeld hingegen funktioniert ohne Strom bei Nacht und Nebel. Drittens: Anonymität. Bargeld ist immer noch „geprägte Freiheit“ – eine Einstellung vor allem der älteren Generation, die nach dem 2. Weltkrieg mit Bargeld aufgewachsen ist. Bargeld gewährt diese Anonymität. Die Jüngeren legen darauf weniger Wert. Generell geht der Trend zum bargeldloses Zahlen, jedoch regional und länderspezifisch unterschiedlich schnell – auch aufgrund politischer Interessen, Vorlieben der Bevölkerung sowie der Verfügbarkeit von Infrastruktur und Technologien.

Bevor wir in die Zukunft schauen, ein Blick zurück: Die Bundesdruckerei ging hervor aus der Hofbuchdruckerei von 1763, die später mit der Königlich-Preußischen Staatsdruckerei zur Reichsdruckerei verschmolz. Erfüllt es Sie manchmal mit Stolz, für ein solch traditionsreiches Unternehmen zu arbeiten?

Auf jeden Fall! In unserem Metier, dem Wert- und Sicherheitsdruck, ist Vertrauen das A und O. Die Bundesdruckerei hat über Jahrzehnte, Jahrhunderte sogar, Vertrauen aufgebaut. Neue Technologien oder junge digitale Unternehmen müssen noch beweisen, dass man ihnen vertrauen kann.

Forschung und Entwicklung haben sowohl bei Reichs- als auch bei Bundesdruckerei stets einen hohen Stellenwert genossen. Sie sind Physiker, haben an nichtmetallischen, anorganischen Materialien geforscht. Muss man heutzutage Physiker und Materialforscher sein, um für die Sicherheit unserer Banknoten verantwortlich zu sein?

Als ich als Projektmanager bei der Bundesdruckerei vor über zwanzig Jahren arbeitete, habe ich gemerkt, wie sehr Chemie, Physik, Material- und Ingenieurwissenschaften die Forschung und Entwicklung hier prägen. Viele Sicherheitsmerkmale erfordern Kenntnisse in diesen Bereichen. Die Banknote muss extreme Bedingungen aushalten, etwa kochendes Wasser oder Säuren. Das war der perfekte Job für meinen beruflichen Hintergrund.

Sie sind seit April 2019 als Leiter Wert- und Sicherheitsdruck zurück in die Bundesdruckerei gekommen. Was hat Sie an der Position gereizt? Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Die Bundesdruckerei hat sich von einer klassischen Druckerei zu einem digitialen Sicherheitsunternehmen entwickelt. Dieser digitalen Transformation und den damit verbundenen Herausforderungen hat sie sich gestellt und kann nun ihre Erfahrungen teilen. Ihre Technologieaffinität hat sie zu einem fortschrittlichen Keyplayer in der Branche gemacht. Das hat mich gereizt.

Mein Ziel ist es – natürlich neben einer vollen Auslastung der Banknotenproduktion bei maximaler Profitabilität – die Bereiche Banknote und Postwertzeichen im Sinne dieses Bundesdruckerei-Wandels in die Zukunft zu führen. Ich habe eine Vision, wie ich den aktuell reinen Banknotendruck gemeinsam mit meinem Team zukunftsfähig machen kann. Und in fünf Jahren möchte ich diese Vision umgesetzt haben. Mehr verrate ich heute noch nicht.

Was mit Kunstdrucken, Reisedokumenten, Briefmarken und Banknoten für Preußen und das Deutsche Reich begann, hat sich längst zum internationalen Anbieter für „Sichere Identität“ entwickelt. Wie kam das?

Traditionsunternehmen unserer Branche setzen vor allem bewährte, erprobte Technologien ein. Die Bundesdruckerei hat dank eines klugen Managements zur richtigen Zeit in neue, digitale Technologien investiert, durch Merger und Acquisitions zusätzliches Know-how erworben und ihre Forschung und Entwicklung stark ausgebaut. Dieser Prozess hat fast zwei Jahrzehnte gebraucht und dauert immer noch an. In der klassischen Banknote sind wir State-of-the-art. Zudem haben wir unser Produkt- und Lösungsportfolio stark erweitert, etwa im Bereich „Sichere Identität“ oder „Sichere Infrastrukturen“. Viele unserer Mitbewerber konnten sich bis heute nicht digital transformieren und haben es bevorzugt, klassisch in den Bereich Banknote zu investieren.

Kryptowährungen sind auf dem Vormarsch. Sie sind mengenmäßig begrenzt und dank Verschlüsselung und transparenter Transaktionen auf der Blockchain schwer manipulierbar. Wo liegen noch die Vorteile der von den Zentrabanken ausgegeben Banknoten?

Zentralbanken regulieren über die Geldausgabe die Inflation und stabilisieren die Wirtschaft eines Landes. Kryptowährungen sind eher wie Handelswaren oder Rücklagen, aber kein gesetzliches Zahlungsmittel. Außerdem: Verlieren Sie Ihren Zugangscode zu Ihrer digitalen Kryptobrieftasche, haben Sie oder Ihre Erben keinerlei Nachweis über Ihr digitales Eigentum.

Manche überlegen, solche Codes wieder physisch auf Sicherheitspapier zu drucken – wie eine Art Banknote. Menschen streben nach Sicherheit. Und das heißt noch immer: physische Sicherheit – etwas, was ich in der Hand halten oder in den Tresor legen kann. Einen Algorithmus kann ich nicht greifen, dem vertraue ich nicht. Wir benötigen nach wie vor ein physisches Backup. Zentralbanken suchen Lösungen, um die Lücke zwischen Bar- und Digitalgeld zu schließen. Digitale Währungen bringen derzeit Probleme mit sich, die ich mit Bargeld nicht habe. Aber als Bargeld-Hersteller müssen wir uns natürlich auch digital weiterentwickeln.

Ein Blick in die Zukunft: Wenn Bargeld uns erhalten bleibt, welche Innovationen können wir erwarten, um Banknoten fälschungs- und zukunftssicher zu machen?

Heutige Banknoten sind schon sehr hoch abgesichert. Aber Fälscher schlafen nicht: Mit Hilfe neuer Technologien müssen wir weitere Sicherheitsmerkmale entwickeln, um Fälschern immer einen Schritt voraus zu sein. Wir verwenden bereits statt Baumwoll-Leinen-Papier nun Hybridsubstrate mit Polymer-Beimischungen, außerdem Folien in den Fäden, Mikrolinsen und -spiegel. Farben haben sich weiterentwickelt zu optisch variablen Features mit magnetischen Pigmenten, hinzu kommen Ultraviolett- oder Infrarot-Merkmale. Zukünftige spannende Technologien, wie Nanomaterialien oder künstliche Intelligenz, werden uns vor neue Herausforderungen stellen und inspirieren. Darauf freue ich mich!

Werden unsere Geldscheine irgendwann mit Funkchips ausgestattet, die eine Ortung oder Entwertung der Scheine bei Diebstahl ermöglichen?

Es gab dazu immer wieder Versuche. Die Frage ist nur: Ist so etwas funktional und gewollt? Bislang war die Anonymität des Zahlungsmittels immer ein Argument gegen Funkchips oder RFID, also „radio-frequency identification“. Aber im Smartphone-Zeitalter hat sich das Kommunikationsverhalten und der Umgang mit neuen Technologien in der Gesellschaft stark gewandelt. Anonymität hatte in der Vergangenheit eine höheren Stellenwert, allerdings war auch die Skepsis vor neuen Ideen größer. Smartphones und ständige Erreichbarkeit wären damals unvorstellbar gewesen.

Wir gehen heutzutage mit sehr viel mehr Leichtigkeit, Neugier und Unbedarftheit an neue Technologien heran. Aus diesem Grund muss ein Unternehmen die Datenintegrität und den Datenschutz der Nutzer sicherstellen. Technologien müssen vertrauensvoll bleiben. Dafür steht die Bundesdruckerei. Die ID-Dokumente etwa sind ein gutes Beispiel dafür, dass die Bundesdruckerei als Technologietreiber die höchsten Datenschutzvorgaben einhält.

Was die Bundesdruckerei bei den ID-Dokumenten geschafft hat, möchte ich nun auf die Banknote transferieren. Mit dem Wissen, den Technologien und der Datenintegrität der Bundesdruckerei wollen wir im Wertdruck eine Brücke in die digitale Welt schlagen.

Wie stellen Sie sich die ‚Banknote 2040‘ vor?

Banknoten sind Visitenkarten eines Landes, Ausdruck seiner Ästhetik und Tradition. Diese kulturellen Aspekte möchte ich auch im digitalen Zeitalter erhalten. Die ‚Banknote 2040‘ wird weiterhin höchste Sicherheitsstandards erfüllen und von einer Zentralbank als Vertrauensinstanz ausgegeben. Meine Vision ist, dass die Banknote der Zukunft  sowohl analog als auch digital auslesbar und über Landesgrenzen hinweg anwendbar ist. Sie bekommt also neue Funktionalitäten, ein neues Gewand und ist noch immer hochwertig. Wollen wir die Banknote der Zukunft gestalten, müssen wir ihre physischen Vorzüge mit den technischen Möglichkeiten der digitalen Welt auf sichere und ästhetisch anspruchsvolle Weise vereinen. Diese Vision verfolgen mein Team und ich gemeinsam mit Neugier, Kreativität und Motivation.

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