Wie die Amtsstube schneller digital wird
Digitales Rathaus in Tangerhütte
Vorbild Tangerhütte: Eine Rathaus-App für alle Behördendienste - Schon längst können die rund 10.500 Einwohnerinnen und Einwohner von Tangerhütte alle Behördenangelegenheiten mit einer Rathaus-App auf dem Handy erledigen, während viele Großstädter immer noch in Ämtern Schlange stehen.
Die Einheitsgemeinde Stadt Tangerhütte nördlich von Magdeburg ist bundesweit vorbildlich bei der Digitalisierung ihrer Verwaltung und hatte Anfang 2023 als erste Kommune in Sachsen-Anhalt alle Anforderungen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) umgesetzt. Wer sich darüber mit dem Bürgermeister Andreas Brohm unterhält, spürt, dass er wirklich für die Digitalisierung brennt.
Digitalisierung gegen Personalmangel und für Vertrauen in den Staat
Beim Blick auf die Digitalisierung von Amtsstuben regt Brohm einen Perspektivwechsel an: Das Onlinezugangsgesetz gehe zwar von den Belangen der Bürgerinnen und Bürger aus – doch eine wesentliche Aufgabe der Digitalisierung sei eine effizientere Verwaltung, nicht zuletzt wegen des zunehmenden Personalmangels.
Drei Kernfragen vorab
Doch wie und womit beginnt eine Kommune mit der Digitalisierung ihrer Verwaltung? In Tangerhütte standen drei Kernfragen am Anfang des Projekts:
Unbestritten sei es ein schmerzhafter Prozess, die lang eingespielte Arbeitsweise einer Verwaltung zu hinterfragen und zu verändern, räumt Brohm ein. „Zu diesem Prozess gehört der Mut, Fehler zu machen, denn nur so können wir lernen.“ Womöglich gelinge dies leichter in kleineren Kommunen wie Tangerhütte, mit kürzeren Wegen und weniger Hierarchie-Ebenen. Aber der Rathaus-Chef betont: „Es reicht nicht, wenn ein Bürgermeister allein vorprescht. Das ganze Team im Rathaus muss mitziehen, besser noch: gerne mitwirken. Im besten Fall kommen früher oder später auch die Skeptiker auf den Geschmack, wenn sie in ihren Ressorts Dienste identifizieren, die sich gut digitalisieren lassen.“
Digitales Rathaus mit Online-Formularen und Bürgerkonto
Als Glücksfall bezeichnet der Bürgermeister die Kooperation mit einem regionalen Softwareunternehmen, das für eine Krankenhausverwaltung bereits digitale Formulare entwickelt hatte, die nach dem Baukastenprinzip funktionieren. Das Prinzip ließ sich gut auf die Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen übertragen. Die Mitarbeitenden im Rathaus von Tangerhütte sind nun in der Lage, mit einem intuitiv bedienbaren Programm nach einer Wenn-Dann-Logik ihre eigenen digitalen Formulare und Bearbeitungsprozesse zu generieren.
Die Einwohner und Einwohnerinnen von Tangerhütte können diese Formulare und Dokumente online ausfüllen und ans Amt übermitteln, wo sie ohne Medienbruch digital weiterbearbeitet werden. Wer möchte, kann sich ein Bürgerkonto anlegen und erhält dort eine Benachrichtigung, wenn das Anliegen erledigt worden ist. Trotzdem ist auch in Tangerhütte eine papierlose Verwaltung noch Utopie: Bestimmte Dokumente müssen weiterhin aus rechtlichen Gründen in Papierform auf dem Postweg zugestellt werden. In diesen Fällen wird automatisch ein Druckauftrag in einem Postdruckzentrum ausgelöst und der oder die Antragstellende erhält einen Brief.
Mittlerweile gibt es mehr als 2.500 Bürgerkonten. Die Zahl deckt sich nicht zwingend mit den tatsächlichen Besuchern des digitalen Rathauses, denn ein Bürgerkonto ist nicht obligatorisch, jedoch praktischer, weil man für wiederkehrende Anliegen immer wieder auf die eigenen, ausgefüllten Formulare zurückgreifen kann – ähnlich wie bei der Steuererklärung mit dem Elster-Programm.
Die Kommunalverwaltung von Tangerhütte hat einen zusätzlichen Anreiz geschaffen, das Bürgerkonto regelmäßig zu nutzen: „Wir haben einen Infokanal integriert; dort stehen nicht nur amtliche Mitteilungen, Neuigkeiten und Termine aus der Kommune, sondern auch öffentliche Ausschreibungen für Unternehmen“, sagt Brohm.
Brauchtumsfeuer als Zündfunke für die digitalen Dienste
Auf die Eingangsfrage, wie man Bürgerinnen und Bürgern ins Digitale Rathaus lockt, fand die Kommunalverwaltung eine clevere Antwort: „Wir haben zunächst einen Klassiker digitalisiert, den Antrag für Brauchtumsfeuer“, erzählt Brohm. Außerdem habe die Corona-Krise die Akzeptanz der digitalen Dienste beschleunigt. Als die Kindergärten während des Lockdowns geschlossen blieben, konnten sich Eltern die Kita-Gebühren mit einem Onlinedienst aus dem digitalen Rathaus erstatten lassen. „Damals hatten wir auf einen Schlag fast 800 Nutzerinnen und Nutzer im System. Sie erkannten, dass der digitale Antrag viel bequemer ist, als selbst einen Text zu überlegen, ihn am Computer zu tippen, auszudrucken und zur Post zu bringen.“
Mittlerweise ist die Terminbuchung der am häufigsten genutzte Online-Service der Kommunalverwaltung von Tangerhütte. „Die Funktion hat enorm zur Motivation der Mitarbeitenden beigetragen“, weiß der Bürgermeister, „denn nun sehen alle, wie viele Termine am Tag anstehen und wer mit welchem Anliegen kommen wird. Und die Bürgerinnen und Bürger sind auch entspannter, weil es keine nervigen Wartezeiten mehr gibt.“